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Anforderungen an mobile Systeme in Schule

…oder die Antwort auf die Frage, warum iPads nicht für den (Informatik)unterricht taugen.

Situation

Ich arbeite im Moment an einer Gesamtschule, die keine Fachräume für Informatik und keine expliziten Geräte hat. Da wir eine Schule im Aufbau sind, gibt es im Moment noch keine Oberstufe, sondern nur Sekundarstufe I. Informatik wird als Wahlpflichtfach ab Klasse 7 unterrichtet. Die Entscheidung für mobile Geräte des Herstellers apple (iPad) ist bereits vor meiner Zeit gefallen und ohne Beteiligung von Informatiklehrkräften. Die benötigte Infrastruktur wird nach und nach aufgebaut; ist momentan nur teilweise vorhanden. Informatikunterricht findet in beliebigen Klassenräumen mit einem Kurssatz Tabletcomputer statt.

Anforderungen

Hier möchte ich die Anforderungen an ein Informatiksystem für den Informatikunterricht notieren. Sicherlich sind diese Anforderungen spezieller oder komplexer als für den Einsatz in anderem Unterricht, da bei uns das System selbst häufig auch zum Lerngegenstand und nicht nur zum didaktischen Werkzeug zählt. Außerdem ist diese Liste nicht abgeschlossen, sondern nur der Ausschnitt meines konkreten Tuns.

  • Nutzer- und Dateiverwaltung
    • Hier muss bei mobilen Geräten aktuell zwischen einer personengebundenen (1 Gerät pro Kind) und einer gemeinsamen (geteiltes Ausleihsystem) Nutzung unterschieden werden.
    • 1:1
      • Jeder Nutzer kann Dateien auf dem Gerät ablegen, verwalten und bearbeiten
      • Jeder Nutzer kann persönliche Daten und Dateien ausreichend und sicher vor Fremdzugriff schützen.
      • Dateien können zwischen verschiedenen Geräten und Betriebssystemen ausgetauscht werden.
    • Geteilte Nutzung:
      • Jeder Nutzer erhält einen eindeutigen, geschützten und personenbezogenen Zugang.
      • Unabhängig vom geliehenen Gerät kann jeder Nutzer immer auf seine aktuellen Dateien zugreifen.
      • Dateien können unabhängig von Gerät, Betriebssystem und verwendeter Software abgerufen werden.
      • Dateien sind vor fremdem und unerlaubtem Zugriff geschützt.
  • Softwareverwaltung
    • Zentrale Quellen aus denen Software per einfacher Kommandozeile (?) geladen und installiert werden kann (1:1-Nutzung) oder
    • Verteilung und Verwaltung durch einfaches anmelden oder schicken der Software aus einer zentralen Stelle oder
    • Erstellung und Pflege von Abbilddateien, die jeweils geladen werden.
  • Werkzeuge zur Programmierung
    • Quelltexte bearbeiten (Editor)
    • Quelltexte ausführen (Scriptsprachen) und kompilieren (höhere Sprachen)
    • Spätestens ab Sek II: Auch die Möglichkeit Quelltexte im Format Java auf den Geräten zu bearbeiten und zu kompilieren.
  • Kooperation
    • Möglichkeit Gruppenarbeiten schnell und kooperativ ohne fesselnde Geräte durchzuführen
    • Präsentationsmöglichkeit, z.B. durch Spiegeln des Bildschirminhalts auf eine Präsentationsfläche
  • Rechtliches
    • In NRW ist es verboten, Daten bzw. Verträge mit im Ausland ansässigen Unternehmen zu tauschen bzw. zu schließen, die keine entsprechende Datenschutzerklärung unterschreiben.
    • Nutzer dürfen nicht dazu gezwungen werden, ein Konto für die Nutzung des Geräts anzulegen. Weder um Software zu installieren noch zum Austausch von Dateien.
  • Kooperation
    • Möglichkeit Gruppenarbeiten schnell und kooperativ ohne fesselnde Geräte durchzuführen
    • Präsentationsmöglichkeit, z.B. durch Spiegeln des Bildschirminhalts auf eine Präsentationsfläche um Software zu installieren noch zum Austausch von Dateien.
    • Daten über die Nutzung der Geräte dürfen nicht erhoben werden.

Typische Situationen:

  • Die Schülerinnen und Schüler arbeiten an einem größeren Projekt über mehrere Stunden. Jeweils am Ende einer Stunde entstehen Textdokumente und Quelltexte. Die Geräte werden abgegeben bzw. heruntergefahren. Zu Beginn der nächsten Stunde, die in einem anderen Raum oder mit anderen Geräten stattfinden könnte, werden die Geräte wieder gestartet und sowohl die Textdokumente als auch die Quelltexte sollten ohne größeren »Kopier«aufwand verfügbar sein.
  • Als Physiklehrer fallen mir auch noch komplexere Situationen ein: Die Kinder sollen draußen mit den mobilen Geräten ein Experiment durchführen, z.B. Würfe videographieren. Die Auswertung ist zum Teil mit mobilen Geräten nicht zufriedenstellend oder nur qualitativ möglich. D.h. die Daten der Experimente sollten ohne größeren Aufwand automatisch auf nicht mobilen Geräten verfügbar sein oder auch durch den Lehrer leicht abrufbar sein. Ohne jedes Gerät einzeln anfassen zu müssen.

iPads als einzige Lösung

Zunächst betrachte ich einmal die momentane Lösung mit den Produkten der Firma apple.

  • Nutzer- und Dateiverwaltung

    • Der Vollständigkeit halber auch die Möglichkeit jedem Kind ein eigenes Gerät zu geben; dies ist aber wohl für normale Schulen keine Option wegen der fehlenden Finanzierbarkeit (?)

    • 1:1

      • Jeder Nutzer kann Dateien auf dem Gerät ablegen, verwalten und bearbeiten
      • Jeder Nutzer kann persönliche Daten und Dateien ausreichend und sicher vor Fremdzugriff schützen. Es ist ein persönliches Gerät, ein Passwort und der physische Zugriff schützen ausreichend.
      • Dateien können zwischen verschiedenen Geräten und Betriebssystemen ausgetauscht werden. Nur innerhalb des apple Mikrokosmos; zu Android, Linux etc. nicht ohne Weiteres
    • Geteilte Nutzung:

      • Jeder Nutzer erhält einen eindeutigen, geschützten und personenbezogenen Zugang. Zumindest mit unseren Geräten (zu alt) nicht möglich. Neuere iPads bieten eine Möglichkeit, sofern man den erhöhten Einrichtungsaufwand gehen möchte
      • Unabhängig vom geliehenen Gerät kann jeder Nutzer immer auf seine aktuellen Dateien zugreifen. Nur solange das selbe Gerät verwendet wird, ist dies möglich
      • Dateien können unabhängig von Gerät, Betriebssystem und verwendeter Software abgerufen werden. Nur innerhalb des apple Mikrokosmos; zu Android, Linux etc. nicht ohne Weiteres
      • Dateien sind vor fremdem und unerlaubtem Zugriff geschützt. Alle können alles verändern und tun dies auch. Eine sinnvolle, gemeinsam genutzte Dateiverwaltung ist _nicht_ möglich
    • Ergänzung: Ein selbstbetriebener Seafile-Server kann durch die App für 1:1 ein Ausweg darstellen; aber auch hier: nur wenn der apple Kosmos ein Teilen dorthin app-spezifisch erlaubt. Eine Anmeldung innerhalb eines geteilten Geräts ist nicht möglich, da apple-Geräte dies einfach nicht vorsehen (kein app-spezifischer Login möglich). Auch sind gängige Web-Lösungen (moodle, webmail etc.) nicht möglich, da ein Dateiupload von apple verhindert wird.

      Ein selbstbetriebener, gemeinsam genutzter Seafile- oder WebDAV-Server kann einen kleinen Ausweg darstellen, aber auch hier ist durch die Limitierungen der apple-Geräte kein benutzerspezifischer Login möglich; Dateien sind genauso öffentlich und ungeschützt wie im lokalen Gerät.

  • Softwareverwaltung

    • Zentrale Quellen aus denen Software per einfacher Kommandozeile (?) geladen und installiert werden kann (1:1-Nutzung) solange im App-Store verfügbarnur 1:1 oder
    • Verteilung und Verwaltung durch einfaches anmelden oder schicken der Software aus einer zentralen Stelle über spezielle apple-Software möglich, aber nicht trivial oder
    • Erstellung und Pflege von Abbilddateien, die jeweils geladen werden. wovon träumen wir Nachts?
  • Werkzeuge zur Programmierung

    • Quelltexte bearbeiten (Editor) sehr rudimentär möglich, im Rahmen der limitierten Dateiverwaltung

    • Quelltexte ausführen (Scriptsprachen) in speziellen, _kostenpflichtigen_ Apps möglich: z.B. pythonista

      und

      kompilieren (höhere Sprachen) mir ist keine Möglichkeit zu kompilieren bekannt

    • Spätestens ab Sek II: Auch die Möglichkeit Quelltexte im Format Java auf den Geräten zu bearbeiten und zu kompilieren.

      Sicherlich muss hier nicht über die Sinnhaftigkeit Java im Abi einzusetzen diskutiert werden. Sicherlich ist es möglich ohne Java aufs Abitur vorzubereiten. Dennoch möchte ich mir die Möglichkeit nicht nehmen lassen, zumindest die Abiturkandidaten in einem Crashkurs mit Java arbeiten zu lassen. Dies ist ein absolutes Ausschlusskriterium für den alleinigen Einsatz eines Geräts.

  • Kooperation

    • Möglichkeit Gruppenarbeiten schnell und kooperativ ohne fesselnde Geräte durchzuführen

      Es lassen sich einfach und ohne Probleme Gruppentische nutzen, es kann draußen gearbeitet werden, auch eine Spannungsversorgung muss nicht dauerhaft vorhanden sein.

    • Präsentationsmöglichkeit, z.B. durch Spiegeln des Bildschirminhalts auf eine Präsentationsfläche

      Ja und Nein! apple-TV ist eine Möglichkeit, den Bildschirm eines iPads zu spiegeln. Dies klappt bei uns aber nur schlecht als recht. Ausfallsicher und verlässlich ist das ganz und gar nicht. In einer UPP würde ich mich auf diese Technik nicht verlassen wollen. Die Verbindungen brechen ab, die TVs geben falsche Auflösungen und damit kein Bild an die Beamer weiter usw.

  • Rechtliches

    • In NRW ist es verboten, Daten bzw. Verträge mit im Ausland ansässigen Unternehmen zu tauschen bzw. zu schließen, die keine entsprechende Datenschutzerklärung unterschreiben.

      Solange keinerlei Dienste verwendet werden, ist man zunächst theoretisch sicher; aber…

    • Nutzer dürfen nicht dazu gezwungen werden, ein Konto für die Nutzung des Geräts anzulegen. Weder um Software zu installieren noch zum Austausch von Dateien.

      Im geteilten Betrieb muss die Schule mindestens zwei Accounts anlegen. Einen privaten und einen Schulaccount. Einen um die Apps zu verteilen und einen weiteren um mit Schullizenz kaufen zu dürfen. Unsinnige Firmenpolitik und nicht mit NRW-Recht vereinbar, da beide Accounts von einem Lehrer privat angelegt werden müssen.

      Im 1:1 Betrieb ist ein sinnvoller Einsatz ohne App-Store Anbindung und damit einem Login pro Kind nicht möglich.

    • Daten über die Nutzung der Geräte dürfen nicht erhoben werden.

      Ich behaupte mal, eher nicht. Spätestens nach verbinden mit dem Appstore nicht erfüllt.

Hier sehe ich nun klar, warum der Alltag mit diesen angeblich so schicken Geräten keinen Spaß macht. Wichtige Dinge, die über kurze Recherchen und Präsentationen hinausgehen, können die iPads technisch nicht bieten. Ganz geschweige davon, dass wir zwei Informatiklehrer einen unglaublich hohen Zeitaufwand gehen müssen, um ein wartbares Wlan-Netzwerk, apples’-Server, Dateiaustausch u.v.m halbwegs am Laufen zu halten. Bei der Einrichtung dieser Technik bekommen wir bis auf 4 Stunden Entlastung keinerlei Hilfen; d.h. wir müssen Verkabelungen prüfen, Accesspoints aufhängen, Switche per Hand warten, Dokumentationen anlegen, in Technik einarbeiten und und und.

In meiner Wahrnehmung hält mich das alles davon ab, guten Unterricht zu planen und durchzuführen. Ein ordentlicher Fachraum, in dem Rechner stehen, die mit Kabeln über einen Switch angeschlossen sind, ein Samba-Server mit ein paar Konfigurationsskripten und ein ladbares Image; alle obigen Punkte wären erfüllt. Einzig der Mobilitätsaspekt ist auch mit Laptops nicht so ganz zu machen; aber Kosten-Nutzen-Rechnung? Wenn man mir die Wartung genauso wie jetzt aufs Auge drückt, nehme ich zur Not die linux-musterlösung für Schulen. Wenn eine Firma mir ein abgespecktes Windows dahinstellt, nehme ich portable-Apps zur Ergänzung und bin fertig. Ich habe das Gefühl mir über Probleme Gedanken machen und schlechte Zwischenlösungen basteln zu müssen, für die es eigentlich seit Jahrzehnten Lösungen im Bereich des Informatikunterrichts gibt.

Noch dazu ist es einfach ärgerlich, dass das Konzept nicht von Informatikern durchdacht wurde. Es wurde also ohne meine Zustimmung eingeführt und muss jetzt von mir gewartet werden. Das nervt!

Wenn es eine Wunschliste gäbe, dann hätte ich gerne mobile Geräte mit einer Berührungseingabe, die allerdings ein echtes Linuxbetriebssystem nutzen, dass sich genau wie so eines warten lässt. Meinetwegen versteckt hinter einer hübschen, leicht nutzbaren Oberfläche, die den nicht informatischen Unterricht einige wenige Apps anbietet (hier reicht wahrscheinlich schon ein Browser und passende Webapps gehostet in der Schule). Meine Informatikkurse können aber einen echten Linuxdesktop aufrufen, mit eigenem zentral gelagertem Nutzerverzeichnis und ohne Beschränkungen. Ich möchte gerne ein echtes Dateisystem haben, so dass ich Dateien ablegen und mit beliebigen Programmen öffnen kann. Hey apple, wenn ihr soweit seid mir dies zu bieten, freue ich mich auf euch. Bis dahin nur Frust!